Nationalrat setzt neue Ressortverteilung in der Regierung auf Schiene

Nationalrat setzt neue Ressortverteilung in der Regierung auf Schiene

Letzte Kompetenzverschiebungen betreffen Bergbau, Vergaberecht und Bundesverwaltungsgericht

Die neue Ressortverteilung in der Regierung ist auf Schiene. Der Nationalrat folgte heute der Empfehlung des Budgetausschusses und stimmte mit ÖVP-Grüne-Mehrheit einer Änderung des Bundesministeriengesetzes zu, mit der die gesetzliche Grundlage für die Zuständigkeiten der einzelnen Ministerien und deren Bezeichnung geschaffen wird. Mit gleicher Mehrheit wurde auch ein gesetzliches Budgetprovisorium beschlossen. Es schreibt die Bestimmungen des Bundesfinanzgesetzes 2019, inkl. Personalplan, mit einigen wenigen Einschränkungen fort und soll das seit Anfang Jänner geltende automatische Provisorium rückwirkend ersetzen.

Formal wird es laut Bundesministeriengesetz künftig 13 Ministerien - und damit eines mehr als bisher - geben. Dazu kommen laut Koalitionsvereinbarung zwei dem Bundeskanzleramt zugeordnete Ministerinnen, die zum einen für Integration und Frauen und zum anderen für EU-Fragen zuständig sein werden. Zu den auffälligsten Neuerungen gehört die Einrichtung eines Ministeriums für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie, zudem werden die Arbeitsagenden aus dem Sozialministerium herausgelöst und der Verfassungsdienst wieder in das Bundeskanzleramt rückübersiedelt.

Berücksichtigt wurde bei der Abstimmung ein heute von den Koalitionsparteien eingebrachter Abänderungsantrag. Damit wird festgelegt, dass die Zuständigkeit für die Verwaltungsgerichtsbarkeit und damit auch für das Bundesverwaltungsgericht sowie die Zuständigkeit für das öffentliche Auftragswesen beim Justizministerium bleiben und nicht mit ins Bundeskanzleramt wandern. Außerdem bleibt das Landwirtschaftsressort für Bergbau-Angelegenheiten verantwortlich. Ein zweiter angenommener Abänderungsantrag wurde von den fünf Parteien gemeinsam eingebracht und betrifft die Personalvertretung: Demnach sollen gewählte PersonalvertreterInnen ihr Mandat auch bei einem Ministeriumswechsel behalten.

Gegenstand der Debatte waren auch die weitreichenden Machtbefugnisse der GeneralsekretärInnen in den Ministerien. Ein Abänderungsantrag der NEOS, die unter der türkis-blauen Regierung eingeführte Weisungsbefugnis gegenüber den SektionschefInnen und den nachgeordneten Dienststellen zu streichen, fand jedoch keine Mehrheit. Neu ist, dass GeneralsekretärInnen künftig keinen Anspruch mehr auf Aufnahme in ein öffentlich-rechtliches Dienstverhältnis haben.

In Kraft treten soll die Novelle zum Bundesministeriengesetz unmittelbar nach deren Kundmachung. Wann das genau sein wird, hängt vorrangig vom Bundesrat ab. Er könnte die neue Ressortverteilung durch einen Einspruch oder eine Vertagung der Entscheidung noch verzögern. Die nächste Sitzung der Länderkammer ist für kommenden Dienstag in Aussicht genommen.

Opposition sieht Ressortverteilung in einzelnen Punkten kritisch

Im Rahmen der Debatte wiederholten die Oppositionsparteien ihre bereits im Ausschuss geäußerte Kritik. So findet es SPÖ-Abgeordneter Christoph Matznetter bedenklich, dass die Zuständigkeit für die Geheimdienste weiterhin in der Hand einer Partei liegen wird. Auch der Ausgliederung des Bereichs Arbeit aus dem Sozialministerium kann er nichts abgewinnen. Sein Fraktionskollege Markus Vogl äußerte die Vermutung, dass die Telekom-Kompetenzen deshalb ins Landwirtschaftsministerium verschoben wurden, damit die ÖVP Zugriffe auf die Erlöse von Frequenzversteigerungen hat.

Allgemein kritisierte Matznetter die Machtfülle der ÖVP. Es sei zwar positiv, dass nunmehr Werner Kogler statt Heinz-Christian Strache Vizekanzler sei und die MinisterInnen Norbert Hofer, Beate Hartinger-Klein und Josef Moser durch Leonore Gewessler, Rudolf Anschober und Alma Zadić ersetzt wurden, meinte er, de facto habe aber Sebastian Kurz das Regierungsprogramm allein bestimmt.

Ähnlich sieht das auch FPÖ-Abgeordneter Erwin Angerer, der eine Machtkonzentration bei der ÖVP ortet. Die Grünen hätten für ein paar Regierungsämter ihre Prinzipien über Bord geworfen, hielt er fest. Zur Verschiebung des Zivildiensts in das Landwirtschaftsressort merkte Angerer an, dass nur 160 der 16.000 Zivildiener in der Landwirtschaft tätig seien.

Karin Doppelbauer (NEOS) hob hervor, dass die Zuständigkeit für Telekom- und Postangelegenheiten im Bundesministerium für Digitalisierung und Wirtschaftsstandort weitaus besser aufgehoben wäre als im Landwirtschaftsministerium. Sie bedauerte außerdem, dass künftig das Bundeskanzleramt und nicht mehr das Justizministerium für den Verfassungsdienst und für Grund- und Freiheitsrechte zuständig sein wird. Auch insgesamt ließ Doppelbauer kein gutes Haar am Regierungsprogramm: Sie vermisst unter anderem Strukturreformen, eine Pensionsreform, eine Föderalismusreform, eine Gesundheitsreform, die Abschaffung der kalten Progression sowie eine Senkung der Lohnnebenkosten und wertete die Hinauszögerung einer ökologischen Steuerreform als vertane Chance.

SPÖ und NEOS wollen Machtbefugnisse der GeneralsektretärInnen einschränken

Was das Thema Generalsekretäre betrifft, kritisierten sowohl SPÖ als auch NEOS deren weitreichenden Machtbefugnisse. Durch das bestehende Weisungsrecht werde die Ministerverantwortlichkeit ausgehebelt, klagte Matznetter. Die NEOS machten mit Verweis auf die Causa BVT auf die Missbrauchsanfälligkeit des Systems aufmerksam. Abgeordnete Doppelbauer plädierte in diesem Sinn dafür, sich die Übergangsregierung als Vorbild zu nehmen und die "Supervorgesetzten" wieder abzuschaffen. Sie konnte sich mit einem entsprechenden Abänderungsantrag, der darauf abzielte, wieder den Rechtszustand vor der türkis-blauen Koalition herzustellen, aber nicht durchsetzen.

ÖVP und Grüne sehen neues Umweltministerium als Vorbild

Verteidigt wurde die neue Ressortverteilung von den Koalitionsparteien. Österreich nehme mit der Einrichtung eines Ministeriums für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie "eine Leuchtturmfunktion" in Europa ein, meinte etwa ÖVP-Verfassungssprecher Wolfgang Gerstl. Er begrüßte außerdem ausdrücklich die Zusammenführung der Agenden für Arbeit und Familie in einem Ministerium. Sein Fraktionskollege Gabriel Obernosterer betonte, es sei wichtig, dass die Regierung rasch zu arbeiten beginnen könne. Man soll ihr eine Chance geben, appellierte er an die Opposition.

"Wir werden sehr gut arbeiten können mit dieser Aufteilung", glaubt auch die Klubobfrau der Grünen Sigrid Maurer. Es werde das größte Umweltressort geben, das die Republik jemals gesehen habe, zeigte sie sich erfreut. Dort seien viele Dinge gebündelt, "um die Bewältigung der Klimakrise gut zu schaffen". Maurer räumte ein, dass die Grünen gerne weitere Zuständigkeiten wie die Bereiche Arbeit und Frauen gehabt hätten, es sei aber klar, dass man der kleine Partner in der Koalition sei.

Wahl weiterer Ausschüsse

Als letzter Tagesordnungspunkt der heutigen Nationalratssitzung stand noch die Wahl von Ausschüssen am Programm. Zusätzlich zu den zehn bereits eingerichteten Ausschüssen wurden 21 weitere eingesetzt, darunter etwa der Verfassungsausschuss, der Außenpolitische Ausschuss, der Umweltausschuss und der Wirtschaftsausschuss. Sie bestehen wie alle Fachausschüsse aus 23 Mitgliedern, wobei die ÖVP jeweils neun, die SPÖ fünf, die FPÖ vier, die Grünen drei und die NEOS zwei Abgeordnete stellen. An der Zahl und der Zuständigkeit der Ausschüsse ändert sich gegenüber der letzten Legislaturperiode nichts: So gibt es, ungeachtet der neuen Ressortzuständigkeiten, beispielsweise weiter einen Ausschuss für Arbeit und Soziales und einen eigenen Verkehrsausschuss. Zu den 31 Ausschüssen kommen insgesamt noch acht Unterausschüsse.

Die Konstituierung der Ausschüsse inklusive der Wahl der Ausschussvorsitzenden und ihrer StellvertreterInnen erfolgte unmittelbar im Anschluss an die Sitzung. Auch die Wahl des Unterausschusses des Rechnungshofausschusses fand nach der Sitzung statt.

Keine Mehrheit für Fristsetzungsantrag der FPÖ

Vor Schluss der Sitzung stimmte der Nationalrat noch über einen Fristsetzungsantrag ab. Das Anliegen der FPÖ, dem Budgetausschuss zur Vorberatung des Antrags 20/Abetreffend Änderung des Staatsgrundgesetzes eine Frist bis zum 20. Jänner zu setzen, fand keine Mehrheit. Der FPÖ geht es um ein verfassungsrechtlich geschütztes Recht auf Barzahlung.

Quelle: Pressedienst der Parlamentsdirektion/ots  //  Fotocredit: © Parlamentsdirektion / Johannes Zinner

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